Viele der finanzierten Projekte schienen zu Beginn ihrer Laufzeit wichtige Stakeholder befragt zu haben, bspw. wurden:
- eigene Professoren danach befragt, was sie von einem Engagement in der Weiterbildung abhält;
- Sozialverbände wurden danach befragt, welchen Fortbildungsbedarf sie bei ihrem Personal sehen;
- nicht-traditionelle Studierenden wurden danach befragt, welchen Unterstützungsbedarf sie haben usw.
Die Ergebnisse solcher Befragungen wurden dann in Senats- oder anderen Kommissionen diskutiert. Auf dieser Basis konnten dann weitere Schritte erfolgen. So wurde mancherorts versucht:
- den Weiterbildungsauftrag im eigenen Hochschul-Leitbild klarer auszuformulieren (Umfang von angestrebter Weiterbildung),
- den Weiterbildungsauftrag mit in Ausschreibungen von Professuren aufzunehmen, damit den neuen Professorinnen und Professoren von Anbeginn an klar ist, dass Lehre in der Weiterbildung Teil des eigenen Stellenprofils ist oder es wird
- die "Lehrerfahrung in der Weiterbildung" als Einstellungskriterium mit aufgenommen.
Lehre in der Weiterbildung zu geben ist für Professorinnen und Professoren attraktiv, weil
- sich diese Lehre auf das eigenen Lehrdeputat anrechnen lässt;
- sich die Weiterbildungsstudierenden weniger passiv verhalten - also keine "Berieselung" erwarten, sondern die Diskussion mit den Lehrenden suchen;
- sich dadurch auch neue Kontakte zu Praxispartnern entwickeln können.
Ein Redner merkte an, dass sich das Interesse der Professorinnen und Professoren oft auch auf die eigene Bildungsbiographie stütze: Wer selber Arbeiterkind gewesen sei, engagiere sich meist gerne für die Offene Hochschule. Eine andere Diskutantin warf ein, dass an Professorinnen und Professoren eigentlich kein Mangel bestehe, auch wenn sich nur 10 Prozent der Professorenschaft einbringen wollen würden.
Langfristig funktioniere es allerdings nicht allein auf Motivation zu bauen ("softe Vorteile, harte Nachteile"). Eine Rednerin legte nahe, anstatt die Entlohnung des Lehrenden zu erhöhen, ihren/seinen Lehrstuhl finanziell besser auszustatten. Auch könne die Zahl der Weiterbildungsstudierenden in den Zielvereinbarungen zwischen Fachbereichen und Rektorat positiv honoriert werden. Beim Aufbau eines Weiterbilungsstudiengangs stoße man aber immer irgendwann auf Probleme, weil eine ganz bestimmte Professorin / ein ganz bestimmter Professor eben nicht mitmachen möchte. Derartige Professorinnen und Professoren würden sich "nicht umdrehen" lassen. Stattdessen sei es ratsam sich im Verbund zu organisieren und sich mit einem Lehrenden aus einer anderen Hochschule zu behelfen. Das sei natürlich bei online-gestützten Studiengängen besonders einfach. Anke Hanft empfiehlt, sich insbesondere auf diejenigen zu konzentrieren, die mitmachen wollen und diese dann nach Kräften zu unterstützen.
Für die Entwicklung der Weiterbildung an einer Hochschule sei es sinnvoll, wenn im Senat nicht nur dann über Weiterbildung gesprochen werde, wenn eine Studiengangsreform anstehe. Insbesondere solle man versuchen, die informellen Meinungsführer der Hochschule für die Öffnung zu gewinnen (und das seien meist leider nicht die jungen Professorinnen und Professoren). Problematisch seien diese Diskussionen aber immer, weil die Mittel für die grundständige Lehre auch schon zu knapp bemessen seien. Hanft ist der Auffassung, dass jeder Weiterbildungsstudiengang ein Geschäftsmodell haben sollte.
Als nächstes kam das Gespräch darauf, ob man die Weiterbildung zentral oder dezentral koordinieren solle.
- In Rostock werden viele Prozesse von der Zentrale für Qualitätssicherung übernommen. Diese Zentrale würde die Fakultäten - wenn gewünscht - beim Management der Studiengänge unterstützen oder sie aber - wenn gewünscht - alleine durchführen.
- Ein Diskutant legte Wert auf die Phrasierung: Man solle Weiterbildung nicht als "zentrales Anliegen" (eines der Zentrale/der Leitung) definieren, sondern als "gemeinsames Anliegen". So könnten sich manche Fakultäten mit anderen Fakultäten zusammentun, dritte wiederum könnten es ganz alleinemachen. Man solle also auch darauf achten, dass man die "Stelle für Weiterbildung" nicht "Zentrale Stelle für Weiterbildung" sondern "Gemeinsame Stelle für Weiterbildung" nenne. Diese baue dann ein "Netzwerk für Weiterbildung" auf und biete Runden an, in denen sich Weiterbildungsbeauftragte austauschen könnten. Diese Stelle sollte auch Kontakte zu anderen Weiterbildungsanbietern pflegen.
- Gefragt nach der Rechtsform, in der man Weiterbildung durchführen sollte, bestand Konsens darüber, dass die GmbH-Lösungen, die man in den 1990er Jahren favorisierte, heute nicht mehr genutzt werden würden, weil eine Inhouse-Lösung billiger sei, man sich dabei auch die 19 Prozent Umsatzsteuer spare und eine Ausgründung im Hinblick auf die Qualitätssicherung immer auch problematisch sei. Zudem zeigten Erfahrungen, dass man sich durch eine Vergabe der Weiterbildung nach außen der Möglichkeit des organisationalen Lernens beraube: Denn durch die Erfahrungen in der Weiterbildungslehre könne die grundständige Lehre ungemein profitieren.
Nun wurden verschiedene Studiengangsformate vorgestellt:
- In Aschaffenburg wohne die Zielgruppe in einem Radius von ca. 200 Kilometern. Dort bestünde das Studium aus ca. 5 Präsenswochenende im Semester (oder im Jahr?) freitags/samstags und Selbstlernphasen. Umfragen hätten ergeben, dass die Arbeitgeber bereit wären, ihre Mitarbeiter an diesen Freitagen freizustellen.
- Die Katholische Fachhochschule in Berlin hingegen biete einen Sozialarbeiterstudiengang für "Non-Traditionals" (mit Schwerpunkt Gerontologie) an, bei dem Umfragen ergeben hätten, dass die Studierenden gerade den "Rückzugsraum" Hochschule sehr schätzen würden und sie zu Hause aus familiären Gründen meist nicht die Ruhe zum Studium finden würden.
- Beide genannten Studiengänge hätten einen Beirat: Im ingenieurswissenschaftlichen Studiengang in Aschaffenburg sei die Industrie im Beirat vertreten, bei der Sozialarbeit in Berlin die Wohlfahrtsverbände und Vertreter aus dem Bildungsministerium.
Auch über die Form der Lehre wurde gesprochen:
- Umfragen würden immer wieder belegen, dass Studienanfänger insbesondere gute Materialien zum Studium haben wollten. Werden sie aber am Ende des Studiums befragt, dann sind ihnen die Diskussionen viel wichtiger als die Materialien.
- Michael Kerres regte an, dass man Professorinnen und Professoren durch Selbstreflektion zu der Einsicht gelangen lassen sollte, dass das Vorlesungsformat ungeeignet ist. Er empfiehlt Projektarbeiten als Lehr- und Abschlusspräsentationen als Prüfungsformat. Das sei effektiv, aber teuer/aufwendig.
Ada Pellert merkt noch an, dass die Öffnung der Hochschule Zeit brauche, dass man im Projektzeitraum eine Verankerung der Öffnung bspw. im Leitbild erreichen müsste und dass das Öffnungs-Projekt an sich erfolgreich sein müsste - denn mit einem "vergeigten" Projekt könne man keine Überzeugungsarbeit leisten.
Andrä Wolters skizziert eine Definition der Offenen Hochschulen und erwähnt in diesem Zuge unter anderem, dass der Begriff Offene Hochschule heute recht weit verstanden wird und darunter auch neue Lerntechnologien, flexible Studienformate sowie auch die Anrechnung von Vorqualifikationen subsummiert werden.
Sigrun Nickel zählt die Erfolgsfaktoren der offenen Hochschule auf:
- eine gute Eingangsphase,
- Brückenkurse zum Füllen von Wissenslücken,
- flexible Zeitmodelle und
- Distance Learning-Elemente.
Ein Podiumsteilnehmer macht eine auf die Formulierung der Studienangebote bezogene wichtige Anmerkung: Er meint, man müsse während des ganzen Studiums - und nicht nur zu Beginn - eine wissenschaftliche Beratung anbieten und dabei immer wieder kommunizieren, was der Unterschied zwischen einer beruflichen Weiterbildung und einer akademischen Weiterqualifikation sei, um damit klarzustellen, dass man in der akademischen Weiterqualifikation nicht alles "vorgekaut" bekommt, sondern dass es Teil des Lernprozesses sei, sich seine Lernunterlagen selber zu organisieren.
Ministerialdirigent Mühlenmeier (Niedersachsen) erläuterte, dass die Öffnung der Hochschulen nicht alleine dadurch Wirklichkeit werde, dass es so im Gesetz stehe. Ohne Begleitprogramme könne das nicht funktionieren. Darüber hinaus habe es seiner Erfahrung zufolge immer stark mit den Menschen zu tun, die sich um die Öffnung kümmten. Das Land würde den Aktivitäten der Hochschulen manchmal hinterherrennen, d. h. die Hochschulen würden eigenständig Angebote realisieren und das Ministerium müsse dann später dafür sorgen, dass sich die Hochschulen damit in einem gesetzlichen Rahmen bewegten.
Sigrun Nickel meint, die 5 Prozent der Studierenden ohne Abitur würden nicht nach viel klingen, hätten aber zu vielen Flexibilisierungen geführt, die der heterogene Studierendenschaft insgesamt geholfen hätten.
Ein Diskutant warf die (rhetorische) Frage in den Raum, ob denn Hochschulen wirklich Kurse wie "Projektmanagement" anbieten müssten. Das könnten doch auch externe Anbieter machen. Stattdessen sollte sie sich auf das Wissenschaftliche konzentrieren, d. h. wie Wissen übertragen werden können, wie man publiziere etc.
Gegen Ende der Tagung hielt Hans G. Schuetze noch einen ausführlichen Vortag über das Lebenslange Lernen (LLL). Dieses finde freiwillig und nicht hinter Mauern statt und beginne bereits weit vor dem Besuch der ersten formalen Bildungseinrichtung. LLL sei nicht "Erziehung" und finde an Orten statt, wie bspw. Museen. Es müsse an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Lernenden orientiert sein.
LLL werde durch drei unterschiedliche Modelle beschrieben:
- In den 1970er Jahren entsprach es der Vorstellung einer sozialen Gerechtigkeit,
- im liberalen Lern- (Bildungsbürger) Modell sollte jeder nach seinen (auch finanziellen) Möglichkeiten lernen können und
- im Humankapital-Modell wirkt der Arbeitsmarkt handlungsanleitend (Aufstieg durch Bildung).
LLL an Hochschulen werde durch folgende Punkte erreicht:
- offener Zugang,
- aktives Zugehen auf unterrepräsentierte Gruppen (Outreach),
- anerkennen von vorhandenen Kenntnissen (Prior Learning Accreditation and Recognition PLAR),
- Module und übertragbare Credits,
- flexible Zeiten, Lernstrukturen und Programme,
- selbständiges Lernen und
- finanzielle und logistische Unterstützung (Kinderbetreuung).
Hemmnisse bei der Umsetzung:
- Hochschultradition und -kultur
- akademisches Werte- und Anerkennungssystem
- internationale Hochschule-Rankings
- Rolle der wissenschaftlichen Forschung
- generelle Unterfinanzierung der Hochschulen
- Kosten von Programmen für nicht-traditionelle Studierende (durch individuelle Beratung, Outreach-Aktivitäten und Marketing)
- die Professorenschaft (Selbstverständnis und Habitus)
Schütze bracht dann auch einige Beispiele von seiner Universität British Columbia (UBC):
- 50.000 Studierende, davon 1/4 offiziell Teilzeit (faktisch deutlich mehr);
- Die UBC sei unter den 30 oder 40 besten Universitäten der Weltrangliste;
- Man habe dort eine große, aber in die Universität eingegliederte Weiterbildungseinrichtung;
- Es gebe einen Prorektor für Weiterbildung, sowie einen Dezernenten (?) für Outreach;
- In der Lehre werden Community Fragen behandelt (Service Learning);
- Studienplätze werden im gesamten BA-Studienangebot nach Bestnote vergeben. Beim Master sei das anders: wer über 30 Jahre alt sei, werde nicht mehr nach seinen Schulnoten behandelt. Über ihn entscheide die Fakultät individuell;
- Es gebe einen zweiten Zugangsweg: über die Community Colleges. Erst für das letzte Jahr werde dann an die (teurere) UBC gewechselt;
- Über die Anerkennung von Vorqualifikationen werden im Interview entschieden;
- Die Universität betreibe "Community Engagement" bzw. "Learning Exchance". Man lerne von den Problemlagen in schwierigen Stadtvierteln. Dort werden konkrete Arbeitsprojekte gemacht, d. h. Studierende gehen dorthin und erhalten dafür auch Credits.
In der anschließenden Diskussion kam Schütze auf folgende Punkte zu sprechen:
- Nach Auffassung der Professorenschaft hätten die jüngeren Kollegen für LLL-Projekte wenig Zeit. Diese müssten sich zunächst um ihr eigenes wissenschaftliches Fortkommen bemühen. Das ältere Personal mache zum Teil mit, d. h. in etwa 10 Prozent. Das sei ausreichend.
- Ein gutes Beispiel ziehe weitere Leute nach sich. So engagiere sich eine Professorin der Ingenieurwissenschaften sehr stark begeistere damit auch andre Professorinnen und Professoren.
- Über den Weiterbildungs-Prorektor kämen Informationen in die Hochschulleitung. Nicht alle Details müssten immer vom Senat abgesegnet werden.
- Vorqualifikationen werden unter der Prämisse und Frage anerkannt, "ob der Kandidat das Studium schaffen kann". Da gehe es weniger um formale Qualifikationen als eine Einschätzung - auch der persönlichen Motivation des Kandidaten.
- Alle Master-Programme seien in Teilzeit studierbar.