Prof. Schleiff führt durch das Programm. Er betrachtet UniWiND als einen Best Practice Club. Bemerkenswert fand ich seine Beobachtung, wonach es in Deutschland keinen Flaschenhals für den wissenschaftlichen Nachwuchs gebe. Im europäischen Vergleich sei die Arbeitslosigkeit unter Wissenschaftlern extrem gering.
Die Graduiertenakademie Dresden
Die Graduiertenakademie konstituiert sich über Mitglieder, die an den Angeboten der Akademie teilnehmen dürfen. Promovierende können nur nach Vorlage einer Promotionsvereinbarung aufgenommen werden. Professor*innen und PostDocs können ebenfalls Mitglieder werden.
HRK-Vizepräsidentin Beisiegel
Die Exzellenzkonzepte Göttingen-Campus und Dresden-Concept würden die Nachwuchsförderung und den Kooperationsgedanken in den Mittelpunkt stellen. Sie geht kurz auf die HRK-Initiative zum Orientierungsrahmen für den Wissenschaftlichen Nachwuchs ein - an dem auch der Wissenschaftsrat und die DFG mitgearbeitet hätten - und bemängelt, dass sich die HRK-Mitglieder als wenig umsetzungsfreudig gezeigt hätten.
Sie geht auch auf die differenzierten Auffassungen über die Nachwuchsförderung in den Disziplinen ein. Angebote müssten entsprechend ausdifferenziert werden. Sie merkt auch an, dass die PostDocs in den Geisteswissenschaften üblicherweise eher als Habilitanten bezeichnet werden. Qualifizierungswege hätten sich leicht verändert: So sei es in der Biochemie vor einigen Jahren geradezu eine Voraussetzung für eine wissenschaftliche Karriere gewesen, dass die erste PostDoc-Phase in den USA absolviert werde. Heute sei es auch akzeptiert, wenn diese ersten drei Jahre nach der Promotion in Deutschland oder China geforscht worden sei. Die zweite PostDoc-Phase von weiteren drei Jahren sei dann jene, in der die Entscheidung für oder gegen den Verbleib in der Wissenschaft fallen solle. Im Laufe der Tagung wird sich aber herausstellen, dass der Zeitpunkt, zu dem der Ausstieg aus der Wissenschaft noch problemlos gelingen kann, in Bezug auf die Disziplinen und ihre äquivalenten Branchen doch oft viel früher gesehen wird. Beisiegel selbst weist auf die Auffassung der Max-Planck-Gesellschaft hin, wonach die Entscheidung für oder gegen den Verbleibt in der Wissenschaft möglichst in den ersten drei Jahren nach der Promotion fallen soll und die dann folgende zweite Phase eine Qualifizierungsphase hin zur Professur sein soll.
Angeblich würden viele HRK-Mitglieder die geforderte Betreuung und Beratung von Promovierenden und PostDocs - mithin: erwachsenen Menschen - sehr kritisch sehen. Dem hält sie entgegen, dass es eigentlich immer eine Beratung und Betreuung des Nachwuchses gegeben habe. Beides hätte aber informeller geschehen können, weil einfach viel weniger Nachwuchs im System war. Professorale Beratung hinsichtliche alternative Karrierepfade jenseits der Professur habe aber fast nie irgendwo funktioniert, weil die Professor*innen hierzu meist nichts wüssten. Wie der Einstieg z. B. in eine Fachhochschulprofessur, ins Wissenschaftsmanagement oder in Führungspositionen gelingen könnte, ist ihnen selber völlig unklar.
Sie kämpfe immer noch für bessere Vertragslaufzeiten. Vertragslaufzeiten von PostDocs von drei bis sechs Monaten seien nicht hinzunehmen. Beisiegel fordert weiterhin mindestens dreijährige Verträge. 16 Hochschulen und Universitäten hätten Personalentwicklungskonzepte entsprechend des Orientierungsrahmens vorgelegt.
„Bei mir wird jeder fertig“, hätten ihr Kollegen gesagt, aber nicht erklärt, warum sie ihnen dann nicht gleich Dreijahresverträge geben. Die DFG vergebe ihre Mittel in der Form 2+1 Jahre. Fakultäten müssten sich hinter ihre Professoren stellen und aus einem Pool zwischenfinanzieren, falls Drittmittel irgendwann ausfallen sollten. Die Universitäten hätten die Pflicht den Nachwuchs auszubilden und dürften das Finanzierungsrisiko daher nicht auf diesen abwälzen. Bewährt hätten sich auch Abschlussstipendien, die sechs bis zwölf Monate laufen und verhindern, dass jemand in ein neues Projekt einsteigen muss.
Promotionen dauerten in der Regel vier Jahre und länger. Manche Fächer hätten zu lange Promotionszeiten und müssten diese kürzen. Durch eine gute Betreuung, die in einer Promotionsbetreuung ausdefiniert werde und in die auch Betreuer*innenteams festgelegt werden, könnten Promotionszeiten im Rahmen gehalten werden.
Die Promotionsabläufe der Ingenieure seien relativ transparent und verlässlich. Wenn diese in die Lehre und in Drittmittelprojekte eingebunden werden, dann weil sie dort Führungserfahrung sammeln sollen. Und sie bekommen in der Regel ohne Probleme Vertragslaufzeiten von 3+2 Jahren.
Frau Dr. Buchhaas-Birkholz vom BMBF
Sie erläutert, dass die UniWiND-Kriterien bei der Ausarbeitung des Bund-Länderprogramms zur Förderung von Tenure-Track-Professuren (TT-Prof.) eingeflossen seien. Das neue Statistikgesetz werden in der Implementierung durch UniKon unterstützt, die dazu aus dem BMBF mehr Stellen finanziert bekommen (http://www.unikon.uniwind.org).
TT-Prof. werden nur erfolgreich beantragt werden können, wenn die Universität ein flankierendes Qualitätsmanagement und die notwendigen Senatsbeschlüsse herbeigeführt hat, d. h. eine Satzung verabschiedet wurde. Mit der TT-Prof. erhält ein Inhaber einen Rechtsanspruch auf eine Lebenszeitprofessur. Die Universitäten könnten diese sechs Jahre nach W1/W2 finanzieren und erhalten dafür jährlich 118.045 Euro, inkl. eines Strategieaufschlags. Bei negativer Evaluation könnten die TT-Inhaber*innen ein Überbrückungsjahr finanziert bekommen. Darüber hinaus gebe es auch die Option der zweijährigen Überbrückungsstelle, damit die Universitäten besser mit dem schlecht vorhersehbaren Emeritierungszeitpunkt umgehen könnten. Auch seien zwei Jahre Verlängerung wegen Kindern möglich. Die Bundesländer würden derzeit die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit diese Konstrukte umgesetzt werden können. Das Programm soll im November ausgeschrieben werden, die Antragsfrist wird bis April 2017 laufen. Im Sommer 2018 soll dann eine zweite Ausschreibungsrunde erfolgen. Der wichtige Kritikpunkt, dass eingewobene TT-Prof. letztlich etatisiert werden könnten, wurde begegnet, in dem die Länder zugesagt hätten, dass zu jeder eingeworbenen TT-Prof. auch eine zusätzliche Lebenszeitprofessur an die erfolgreichen Universitäten gegeben wird. Das BMBF wird von den Universitäten jährlich einen Umsetzungsbericht verlangen.
Einen Kritikpunkt in der Diskussion, den Frau Dr. Buchhaas-Birkholz nicht auflösen konnte ist der, dass die TT-Prof. keine Mittel für eine Ausstattung beinhalten würden. Diese Mittel müssten aus den Fakultäten zusammengezogen werden. Sie verweist an die Länder, die diese Kompensationsmittel durchaus noch in ihre Hochschulen schieben dürften. Schließlich gebe der Bund relevante zusätzliche Mittel! Dass die Länder damit aus der Verantwortung seien, sei nie behauptet worden.
Mathias Winde vom Stifterverband
Herr Winde startet mit einer kleinen Anekdote, wonach der Stifterverband 2005 eine Ausschreibung zu Personalentwicklungskonzepten veröffentlich habe und es davor und danach nie so wenige Anträge auf eine Ausschreibung gegeben habe.
Herr Winde stellt die Studie „Personalentwicklung für den wissenschaftlichen Nachwuchs“ vor. Den Erhebungsdaten zufolge sei unter dem wissenschaftlichen Nachwuchs der Wunsch, eine Professur zu erhalten, in den letzten drei Jahren stark zurückgegangen. Unter den promovierenden Ingenieur*innen streben derzeit nur 8 % das Ziel der Promotion an, unter den Geisteswissenschaftler*innen nennen dieses aber 39 %. Der Nachwuchs habe einen hohen Orientierungsbedarf hinsichtlich der eigenen Berufsziele und kenne die Wege zu möglichen Zielen nicht.
Erfreulich sei, dass die Hochschulleitungen für die Notwendigkeit von Personalentwicklung (PE) zunehmend sensibilisiert sei. Der Nachwuchs hole sich eigentlich nur bei den Promotionsbetreuer*innen beruflichen Rat - diese hätten nach Ansicht der Hochschulleitungen jedoch gar keine PE-Kompetenzen und würden auch keine PE betreiben.
Die Sicht der Wirtschaft
Dr. Norbert Sack arbeitet bei egonzehnder.com und sucht Führungskräfte für Unternehmen. Seiner Ansicht nach fördere eine Promotion das selbstständige Arbeiten und den Willen, Verantwortung für das eigene Vorankommen zu ergreifen. Business Schools seien nicht mehr en vague in der Wirtschaft. Der Königsweg sei derzeit, ein Weiterbildungsprojekt mit einem Arbeitsprojekt zu koppeln. Die Promotion wird als ein Indikator für Leistungsfähigkeit erachtet. Leistungsfähigkeit könne aber auch durch andere Punkte im Lebenslauf nachgewiesen werden. Eine abgebrochene Promotion sei hingegen ein klarer Beleg für eine mangelnde Hartnäckigkeit. Der Wert einer Promotion für die Gehaltsentwicklung sei tendenziell rückläufig und verliere mit der Zeit an Wert.
Wenn die Wahl des Promotionsthemas ein Eigeninteresse dokumentiere, mache das eine*n Bewerber*in interessant. Nachweislich Eigeninitiative ergriffen zu haben deute auf wichtige Persönlichkeitseigenschaften hin. Wenn im Promotionsprojekt internationale Kooperationen geführt wurden, sei dies ebenfalls sehr interessant. Ein Promotionsthema, das sehr speziell und rein mono-diziplinär sei, sowie keine gesellschaftliche Relevanz habe, mache eine*n Bewerber*in sehr uninteressant.
Seit 2008/2009 gehe der Trend in der Führungskräftebesetzung hin zur Risikominimierung. Gesucht werden derzeit nicht interessante und risikoreiche Persönlichkeiten, sondern eher Beschäftigte, die vergleichbare Aufgaben bereits in anderen Unternehmen verantwortet hätten. Sack hält das für keine gute Entwicklung.
Sei eine Promotion erfolgreich abgeschlossen und eine PostDoc-Phase werde anschließend begonnen, dann werde es mit jedem weiteren Semester schwieriger in der Wirtschaft fußzufassen. In die Geschäftsleitungsassistenz sei nur direkt nach Abschluss der Promotion ein Einstieg möglich. In eine Strategieberatung könne auch noch nach einem PostDoc-Jahr der Einstieg gelingen - vorausgesetzt, es handelt sich um eine*n sehr junge*n Bewerber*in.